Gehen vier
Männer übers Wochenende nach Hamburg, wohnen zudem im Hotel „Hamburg Hafen“ zu
St.Pauli, ist schönes Wetter noch lange nicht garantiert, dafür entsprechende
Kommentare.
In der Tat
waren wir ausgesprochen läufig angereist, mit dem Ziel den Hamburg Halbmarathon
zu laufen. Dieser führt sogar zweimal von der von Udo Lindenberg so wunderschön
besungenen geilen Meile Reeperbahn vom Millerntor nach Altona, die in
Wirklichkeit aber nur 930 m lang ist und am Sonntag Morgen viel sympathischer
daher kommt als zur Hans Albers-Zeit nachts um halb eins, denn ein Mädchen hast du eh keins, es sei denn, du bezahlst und scheust dich nicht, dieses
mehrfach brüderlich zu teilen. Der nächtliche Kiez ist total spassbefreit, wo
früher der König von St. Pauli mit den Luden (Zuhältern) noch für Hafenromantik
sorgte, haben Ostbanden längst das Kommando übernommen, die „Grosse Freiheit“
ist längst nicht mehr frei, dafür wurde der Bestand der fleissigien Lieschen
von einst 18'000 auf 2500 lean gemanagt. (Die Reeperbahn hat übrigens ihren
Namen von den Reepschlägern, den Seilern, die für ihre Taue lange Bahnen
brauchten). Um das Elend noch zu komplementieren, mischen sich, meist junge
Obdachlose mit bedauernswerten Hunden unter das erstklassige Publikum, welches
vorwiegend aus grosszahligen, gröhlenden Männergruppen besteht – wie widerlich
sind denn solch marodierende Männerhorden? (Klammheimlich wünscht man ihnen das
gleiche Schicksal wie Klaus Störtebeker, dem berühmtesten Piraten Hamburgs,
der im 14. Jahrhundert zusammen mit 73 seiner Kumpanen zu Tode verurteilt wurde. Allerdings versprach der Bürgermeister denjenigen Freiheit, an denen der geköpfte Störtebeker noch vorbei taumeln konnte. Klaus schaffte elf (!), aber der Bürgermeister brach umgehend sein Wort und Scharfrichter Rosenfeld köpfte innert kürzester Zeit 73 Piraten. Dies brachte ihm wiederum viel Lob vom Bürgermeister ein, worauf der Scharfrichter meinte, das wäre doch nichts, er könnte noch gleich den ganzen trägen Senat enthaupten. Diese Bemerkung trug ihm seinerseits Gefangenschaft und kurze Zeit später seine eigene Enthauptung durch das jüngste Ratsmitglied ein). Der rauhe hanseatische Charme.
Wie immer,
wenn ich in Hamburg laufe, lacht auch am Sonntag Morgen die Sonne, vorbei geht’s
zweimal auf der Reeperbahn an der Boutique Bizar, dem Café Keese, der
Davidwache, der „Ritze“, der berühmten Kneipe mit dem noch berühmteren Boxring,
in dem schon fast alles geboxt hat, von Muhammed Ali bis Henry Maske. Für uns
Läufer gab’s aber keinen Grund zu schlagen, im Gegenteil empfangen uns am
Fischmarkt und den Landungsbrücken wohlwollende und anfeuernde Menschenmassen
und zahlreiche Bands – Hamburg versteht sich aufs Feiern und dies nicht nur,
wenn die Queen Mary II im Hafen liegt, um im Trockendock bei Bloem&Voss
gewartet zu werden oder wieder aufs grosse Meer hinaus zu stechen. Rechts lassen
wir die Unvollendete, die Elb-Philharmonie (geplante Kosten ursprünglich 77
Millionen Euro, mittlerweile bei über 700 (!) Millionen angekommen) unvollendet
und ziehen weiter.
Durch den
Tunnel geht’s knapp an der Binnenalster (bedauerlicherweise ohne Jungfernstieg)
auf die Kennedy-Brücke und von der zur wunderschönen Aussenalster vorbei am
Hotel Atlantic, in dem besagter Udo Lindenberg seit mehr als zwanzig Jahren
wohnt, mittlerweile kostet ihm seine Panikzentrale nichts mehr: Ehrensache für
das Hotel. Vorbei an den Häusern der Reichen und Schönen, die Scheiben zum Teil
aus Panzerglas wie beim 60 Millionen-Dreigenerationenhaus der Familie Tschibo.
Tja, ganz nach ihrem Motto „Das Beste geben“ und noch mehr nehmen. Auch ein
reicher, schlagender Ukrainer hat hier seine Zelte aufgeschlagen, allerdings zur
Zeit mehr in Kiew, um diese Stadt wieder zu Vitali-sieren...Bereits geht’s um
die Alster herum, noch zwei scharfe Kurven und das 20km-Schild taucht auf,
labend und den langgezogenen Endspurt auslösend.
Im Ziel nur
glückliche Gesichter, selbst der Turm des Michels scheint sich über die tollen
Leistungen von 7000 Menschen zu freuen!
Beim
Mittagessen mit Blick auf den Hafen natürlich, noblesse oblige, werden
Laufgeschichten erzählt, jeder ist für sich zum kleinen Helden mutiert – so
soll’s sein. Über allem aber schwebt in der Männerrunde die Feststellung, dass
mittlerweile so viele hübsche Mädels Halbmarathon laufen und deren Outfits müde
Beine vergessen lassen. Der Weg als Ziel. Wir wohnen schliesslich in St. Pauli.
Hamburg, du
alte, wunderschöne Hafenbraut, wir kommen wieder!
©
marco.caimi@aequilibris.ch