„Die meisten Frauen setzen alles daran, einen Mann zu ändern. Wenn
sie ihn dann geändert haben, lieben sie ihn nicht mehr.“
Marlene Dietrich
Ich war ein Biker. Ich war männlich
verwegen, ich war frei und hatte lange Haare. Meine Frau lernte mich kennen,
nicht umgekehrt. Sie stellte mir förmlich nach. Egal, wo ich hinkam, sie war
schon da. Das ist nun zwölf Jahre her. Damals war ich ein eingefleischter
Motorradfahrer, trug nur schwarze Sweatshirts, ausgefranste Jeans und
Bikerstiefel – und natürlich lange Haare. Klar hatte ich auch ein Outfit für
besondere Anlässe:
Dann trug ich ein schwarzes
Sweatshirt, ausgefranste Jeans und weisse Turnschuhe. Hausarbeit war eher ein
Übel, dem ich, wenn immer möglich, aus dem Weg ging. Aber ich mochte mich und
mein Leben, wirklich. So also lernte sie mich kennen: „Du bist mein Traummann,
so verwegen, so frei.“
Mit der Freiheit war es bald vorbei,
wir beschlossen zu heiraten. Na ja, wieso auch nicht, ich war männlich,
verwegen, fast frei und ich hatte lange Haare. Bis zur Hochzeit. Kurz vorher
dröhnte an mein Schallgebälk ihrerseits: „Du könntest wenigstens zum Friseur
gehen, schliesslich kommen meine Eltern zur Trauung.“ Stunden, nein Tage,
Wochen und endlose Tränen später gab ich nach und liess mir eine modische
Kurzhaarfrisur verpassen, denn ich liebte sie, und ja, ich war männlich,
verwegen, fast frei und es zog plötzlich auf meinem Kopf. Und ich war vor allem
sooooo lieb.
„Schatz, ich liebe dich genauso wie du
bist“, hauchte sie.
Das Leben war in Ordnung, obschon es
auf dem Kopf etwas kühl war. Es folgten Wochen friedlichen Zusammenseins, bis
meine Frau, jawohl, ich habe ja gesagt, unter den bohrenden Blicken meiner
Schwiegereltern, mit einer grossen Tüte unter dem Arm vor mir stand. Sie holte
ein Hemd, einen Pullover und eine neue Hose mit Bügelfaltz hervor und sagte:
„Probier das bitte mal an.“ Tage, Wochen, sogar erst Monate später gab ich nach
und trug fortan Hemden, Pullover und Stoffhosen mit Bügelfaltz. Es folgten
schwarze Schuhe, teilweise hochglanzpoliert, Sakkos, Kravatten und
Kamelhaarmantel. Kein Problem, ich war schliesslich männlich, verwegen,
todschick, fast frei und es zog auf meinem Kopf.
Dann folgte der grösste Kampf, der um
das Motorrad. Er dauerte nur kurz, denn im schwarzen Anzug, der einengt, kneift
und zwickt sowie mit drückenden Lackschuhen wird jeder Krieger zur lahmen Ente.
Aber kein Problem, ich war männlich, verwegen, spiessig, fast frei, ich fuhr
eine Familienkutsche und es zog auf meinen Kopf.
Mit den Jahren folgten viele Kämpfe,
die ich allesamt in einem Meer von Tränen verlor. Ich spülte, bügelte, kaufte
ein, lernte Volkslieder auswendig, trank französischen Rotwein (igitt...) und
ich ging Sonntags spazieren. Abends kamen dann immer die Schwiegereltern, die
ich bekochen durfte, um anschliessend auch noch die Küche zu machen, denn meine
Frau musste sich mit Mama unterhalten. Aber kein Problem, ich war ja mal
männlich gewesen. Und ja, verwegen – und frei! Ich hatte eben eine persönliche
Weiterentwicklung gemacht zum Weichei, gefangen, nacherzogen und fühlte mich
scheisse. Und es zog auf meinem Kopf.
Es dauerte nicht mal lange und meine
Frau stand mit gepackten Koffern vor mir: „Ich verlasse dich.“ Total erstaunt
fragte ich sie nach dem Grund.
„Ich liebe dich nicht mehr, du hast
dich so verändert. Du bist nicht mehr der Mann, den ich mal kennengelernt
habe.“
Vor einigen Tage traf ich sie wieder.
Ihr Neuer ist ein langhaariger Biker, mit zerissenen Jeans und Tatoos. Er sah
mich mitleidig an. Ich glaube, ich werde ihm zu Weihnachten eine Wollmütze
schenken.
Marco Caimi, nach einer Idee von Björn
Leimbach