Donnerstag, 17. September 2015

ANGRY YOUNG MEN




„Männer haben keine Geduld. Deshalb haben Sie ja den Reisverschluss erfunden.“
Senta Berger

In den Sommerferien verbrachten wir Ende Juli acht Tage in der Nähe der deutsch-polnischen Grenze in Zinnowitz an der Ostsee, der ehemaligen Badewanne Berlins. Eine schöne Gegend, unsere Reisezeit war aber falsch gewählt, denn die „neuen“ Bundesländer hatten alle Sommerferien. Entsprechend viele Familien mit Kindern waren auf Usedom, die Strassen verstopft, ich lernte sogar den Begriff des „Urlauberstaus“ kennen.
Noch nie hatte ich Ferien praktisch nur unter „Eingeborenen“ verbracht, in all den Tagen hörte ich einmal Französisch und sah je ein Auto mit belgischem und solothurnerischem Kennzeichen. Ansonsten Menschen aus Sachsen, Thüringen, Neu-Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin.
Freundliche Menschen seitens der Gäste und der Tourismus-Angestellten, das Essen weit über den Erwartungen lecker, das Wetter und die See rauh, aber Erholung stiftend.

Wir logierten in einem ***Sterne-Hotel, weil in diesem die Bernsteintherme untergebracht waren. Aufgrund der Kinderschar aber keine Chance, diese einigermassen in Ruhe zu besuchen. Viel Zeit also, um sich die Gegend anzuschauen, aber auch die Menschen. Teilweise hatten wir den Eindruck, die Zeit wäre stehen geblieben: Textilien, vor allem aber auch Schuhe, Haarschnitte – Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vor unserer westlichen Zeitrechnung. Auch die Haut vieler Urlauber deutete nicht eben auf qualitativ hochstehende Pflegeprodukte. Noch eine Prise mehr davon bei unserem Besuch in Polen, in Swinemünde, wo auch die städtebauliche Infrastruktur nochmals anders war als im angrenzenden Osten Deutschlands, in welchem die diesbezüglichen Investitionen deutlich sichtbar sind.

Warum schreibe ich dies? Die ranghöchste Deutsche Angela Merkel hat die Grenzen geöffnet nach der Bitte an höhere Mächte mit dem Wortlaut: „Tischlein deck dich!“ Offenbar scheint sie erhört worden zu sein, denn sie ruft alle an den gedeckten Tisch mit den begleitenden Kommentaren „Gerade wir Deutsche“ und „Wir schaffen das!“
„Gerade wir Deutsche“ bürdet einer Generation junger Deutschen eine für sie längst verjährte Kollektivschuld auf, für die sie nichts können. Für eine Zeit, für welche sie von ihren Eltern oft keine Antworten erhalten haben. Für Griechenland verlangte Merkel Austerität, nun plötzlich der Imagewandel zur vermeintlichen Mutter Theresia Europas. Eine Mutter, die allerdings ihre sich selbst angeeigneten Schutzbefohlenen gleich weiterreichen will an Länder, die diese Image-Kampagne nicht mitmachen woll(t)en und auch keine Chance mehr haben, in den Kreis der europäischen Gutmenschen aufgenommen zu werden. „Man sieht die im Licht, die im Dunkeln sieht man nicht.“
„Wir schaffen das!“ Fragt sich bloss wie? Was sollen Menschen, gerade im Osten Deutschlands denken, die in Kitas vollberuflich Kinder betreuen und 1100 Euro im Monat verdienen? Eine uns bekannte Altenpflegerin in  Dresden, die nur dank Schichtzulage überhaupt auf über 1000 Euro monatlich kommt? Oder Menschen, die von 700 Euro Rente leben müssen?
Was sollen junge Männer in den neuen Bundesländern denken, die innert weniger Jahre in eine hochgeschwindigkeitsgeschwängerte Marktwirtschaft katapultiert wurden und, teilweise durchaus aus eigenem Versagen, isoliert sind, teilweise aber auch sträflich im Stich gelassen wurden von den Instanzen, die nun vorwiegend anderen jungen Männern aus fremden Kulturkreisen bei ihrer Ankunft in Deutschland applaudieren? Junge zornige Männer werden nicht mehr lange für andere junge Männer Spalier stehen. Wer das verdrängt und verkennt, macht sich mitverantwortlich für brennende Asylheime.
Durchschnittlichen Bildungsbürgern kann man Not und Elend näherbringen, auch in ihrer Not. Aber definitiv nicht, dass Menschen sich nur in Deutschland und Schweden, aber nicht in Frankreich, Ungarn oder Dänemark registrieren lassen wollen.

Die NZZ am Sonntag schrieb am 13.9.15: „“Nach zehn Tagen Schockstarre hat ausserdem die bayrische CSU ihre Sprache wieder gefunden. Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich geisselte Merkels Entscheidung als eine ‚beispiellose politische Fehlleistung’.“ Dem ist zuzustimmen, denn Deutschland mit der Kanzlerin Merkel führt sich derzeit auf wie einst die dauerbekiffte Hippiekolonie auf Goa. Love and peace und nach mir die Sinn(t)flut.

Merkel kritisiert Viktor Orbans Grenzzaun. Dann wozu bitte wurden die massiven Zäune und Verbauungen anlässlich des kürzlich stattgefundenen G7-Gipfels in Elmau errichtet (Kostenpunkt für die innerste der inneren Sicherheiten geschätzte 350 Millionen Euro, viel mehr als die ganze EU bisher in die Camps in Jordanien, Libanon und der Türkei investiert hat. Dem gegenüber stehen 6 Milliarden von der Türkei)? Aber Mutti ist super!

Raten wir doch mal, wer denn den nächsten Friedensnobelpreis erhalten dürfte? Ja. Ja, dann ist Frau Merkel definitiv auf Augenhöhe mit Obama. Ihr „wir schaffen das!“ erinnert doch schwer an: „Yes, we can!“ Und mit einem anderen Träger des Friedensnobelpreises: der europäischen Union. Die Union, die überschüssige Landwirtschafts-Billigprodukte nach Afrika schickt, um den dortigen lokalen Markt zu zerstören. Vor dem Import des Elends ist oft dessen Export.

© Dr. med. Marco Caimi, Männerarzt