Freitag, 1. Januar 2016

EINE GEMEINDE – ZWEI WELTEN


St. Margrethen, 402 M.ü.M, 5750 Einwohner, liegt im Kanton St. Gallen und gehört politisch zum Wahlkreis Rheintal. Es wird auch das „Schweizer Tor zum Osten“ genannt, bedeutungsvoll vor allem auch während der Zeit, als die Schweiz noch den Saisonnier-Status kannte (1934-91). Ich erinnere mich an den Sommer 87, in dem ich als Wahlstudienjahr-Student in St. Margrethen eine Praxisvertretung inne hatte und an einem Tag 153 grenzsanitarische Eintrittsuntersuchungen inkl. Schirmbild zusammen mit eine MPA durchführen durfte (nebst einer offenen Sprechstunde und zu allem Übel konnte ich auch die Schrift der Chefin in den Krankengeschichten lange nicht entziffern – es waren lange Tage). Es war auch die Zeit, als man noch gesittet über die Grenze in die Schweiz kam, mit Papieren, dem Willen, sich registrieren zu lassen und dem Ziel, in der Schweiz zu arbeiten: Während 10 Jahren für max. 9 Monate pro Jahr, erst dann gab es die Niederlassungsbewilligung und weitere vier Jahre später war der Familiennachzug möglich.

Mein Studienfreund Sebastian, ein gebürtiger Rorschacher, Kanton St. Gallen (!), meinte, es gäbe nur noch ein Kaff, dass hässlicher wäre als St. Margrethen: Gossau. (Das ist dort, wo man mit Kopftuch, aber nicht mit Edelweisshemd in die Schule kommen darf). Nun ist das mit den Wohnorten so wie mit den Festen und Jobs: Es kommt auch immer darauf an, was man daraus macht.

Mein Sohn Philipp, 31, arbeitet in St. Margrethen als Leiter der dortigen „Mobiliar“-Agentur. Er ist auch Präsident des lokalen Gewerbeverbandes. Seine langjährige Freundin Martina wurde nach vielen Weiterbildungen soeben von der Gemeinde zur Leiterin eines Alten- und Pflegeheims berufen. Ihre Eltern betreiben einen Bauernhof mit Schwerpunkt Heuwirtschaft. Bei den Vorstellungs-Gesprächen vor den entsprechenden Kommissionen wurde Wert darauf gelegt, dass Martina u.a. auch am lokalen Vereinsleben rege partizipieren würde...

Obschon die beiden in einer extrem coolen Loftwohnung in der Nachbarsgemeinde Au/SG wohnen, überlegen sie es sich dreimal, bevor sie einen Franken ausserhalb von St. Margrethen ausgeben. Der Arbeitgeber meines Sohnes wünscht, dass er in Bälde Wohnsitz in St. Margrethen nimmt. Das ist sein gutes Recht. Nun gibt es aber coole, freistehende Wohnungen in St. Margrethen etwa so häufig wie Skifahrer in der Sahara. Also sind die beiden an einem Bauprojekt – selbstverständlich in dessen Ausführung mit ausschliesslich lokalen Firmen. Bereits taucht das nächste Problem auf, denn die coolen lokalen Architekten, die die Wünsche des Paares im Sinne von „form follows function“ umsetzen wollen (oder vielleicht können), sind so häufig wie – siehe unter Skifahrer in der Sahara. Trotzdem ist die Hemmschwelle der beiden extrem hoch, das Projekt einem extraterritorialen Architekten zu übergeben – gelebte lokale Loyalität, es gibt sie noch.

Trotzdem tönt das alles nach heiler Welt. Das war nicht immer so bei meinem Sohn: Aufgrund überhöhter Ansprüche an fahrbare Untersätze und Wohnraum, dies gepaart mit einer sportiven, fast ausschliesslich provisionsbedingten Anstellung bei der legendären Maschmeyerschen AWD kam es zu schwersten finanziellen Engpass-Situationen in seinem Leben. Nach dem schnellen Erwachen aus dem merkantilen Nirwana-Traum war er sich nicht zu schade, phasenweise drei Jobs auszuüben und sich auch parallel vor der militärischen Pflichterfüllung nicht zu drücken. Seine Tage begannen früh und endeten spät. Die zweite Chance nutzend, die Ärmel nach hinten gekrempelt, schmolzen seine Schulden wie die Butter an der Sonne – ohne väterliche finanzielle Unterstützung und ohne Sozialhilfe wohlgemerkt. Heute ist die Situation anders – ein bisschen ein amerikanischer Traum am Ende des Rheintals, eine Alternative zur feinalimentierten Generation Y. Und Vaterstolz, jawohl, auch wenn sich viele Väter heute zieren, dies zuzugeben. Schade.

In St. Margrethen wohnt hingegen auch ein anderer Mitbürger: Emir Tahirovic, 40, Bosnier. Das Bundesgericht hat ihm vor kurzem das Recht zugesprochen, seine 14jährige Tochter mit einem muslimischen Kopftuch in die Schule zu schicken. Juristisch vertreten wurde er durch die „Anwälte 44“, deren Kanzleiinhaber ist Paul Rechsteiner, SP-Ständerat, Gewerkschaftsboss und klarer Linksausleger. (Der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) ist im übrigen sehr zufrieden mit der Arbeit dieser Kanzlei.) Ihr Mandant hat erfolgreich gegen die Teilnahme seiner Tochter am Turn- und Schwimmunterricht sowie an Klassenfahrten geklagt, ebenso gibt er sich nicht oder nur gezwungenermassen mit weiblichem Lehrpersonal ab. Als weiteres Ziel hat er sich für das nächste Jahr die Schulweihnachtsfeier vorgenommen. Zeit zum Klagen hat er mehr als genug, denn er ist meist arbeitslos und lebt von der Sozialhilfe. Entsprechend wird auch sein juristisches Hobby grösstenteils vom Steuerzahlenden gesponsort. Er selbst bezeichnet sich nicht als Terrorist, aber als Salafist. Allah sei Dank.

Von den 5750 St. Margrethern sind 1600 muslimischen Glaubens – eine verschwindend kleine Minderheit also... Die meisten sind aber relativ gut integriert. Doch die Aktionen von Tahirovic sind Gift auch für die muslimische Gemeinde, denn sie wird mehr und mehr unter Generalverdacht gestellt. Aber: Mit jedem Erfolg, den Tahirovic verbucht, wachsen seine lokalen Anhänger.

José Mourinho, einer der erfolgreichsten Fussball-Trainer, die Real Madrid-Legende schlechthin, sagte einst:

„Hast du eine faule Orange in einer Kiste mit intakten Orangen, hast du zwei Möglichkeiten: Du nimmst sie raus und kannst die anderen Orangen essen. Oder du lässt sie drin und alle werden faul.“

Ihnen ein gesundes und erfolgreiches 2016!

Marco Caimi