Freitag, 9. Januar 2015

OPFER? TÄTER?

Die Solidarität mit den Opfern der Redaktion von Charlie Hebdo in der westlichen, nicht nur publizistischen, Welt war in den ersten Stun-den und Tag 1 nach dem Attentat gross. Bis man zum Tagesanzeiger 5/2015 gelangt. In seinem Seite-1-Artikel wendet Chefredaktor Res Strehle mehr Platz und Ängste auf, dass Muslime nun (noch mehr) ausgegrenzt werden könnten als er wirklich bedauert, was geschehen ist. Als Linker nutzt er das Attentat zum politischen Angriff gegen Pegida oder den Front National, um gleich auch noch eine Koransure anzuhängen. Das darf er, aber nochmals, zum auswendig lernen: Weder Pegida noch der Front National haben in der Rue Nicolas Appert herumgeballert.
Strehle scheut sich auch nicht, den Anschlag auf Madrid-Atocha 2004 hervorzuholen, mit der Bemerkung, unter den Opfern gab es viele Muslime. Herr Strehle, der Anschlag fand in Spaniens Hauptstadt statt und da starben, der geographisch-territorialen Logik folgend, vor allem Christen.

Umblättern. Auf Seite zwei folgt ein Artikel von Constantin Selbt, in dem dieser die Karikaturen Mohammeds und des Islamismus als völlig humorlos und Dutzendware bezeichnet, den Zeichnern sei nichts eingefallen und mit ihren Arbeiten hätten sie die gemässigten Muslime getroffen und nicht die Radikalen.

Aha. Der Anschlag hat diese These ja bewiesen, denn denkt man diese Aussage von Herrn Selbt zu Ende, muss der Anschlag auf Charlie Hebdo von gemässigten Muslimen ausgeführt worden sein. Eine interessante Definition von „gemässigt“ und „spannende“ Zeiten, die uns bevorstehen. (Wenn ich allerdings die „Reaktionen“ der muslimischen Elite sehe, hat Herr Selbt vielleicht nicht unrecht, denn mit Überzeugung kommen die Statements zur Distanzierung zum Anschlag nicht wirklich, meist mit süffisantem Lächeln vorgetragen und als Höhepunkt dieser islamischen „Betroffenheit“ der Gast von Daniela Lager gestern, 8.1., im „10 vor zehn“, der auf ihre Frage, was denn Muslime proaktiv zur Deeskalation beitragen könnten, die Chuzpe hatte, die Forderung zu stellen, der Islam müsse weiter (auch rechtlich) mehr in der Schweiz integriert werden!).

Im Artikel von Oliver Meiler (Seite 2/3) gibt es noch einen weiteren Mitschuldigen und –verantwortlichen für das Attentat und für eine schreckliche Zukunft: Michel Houellebecq und sein neuer Roman „Soumission“ („Unterwerfung“, ab 16.1. auch auf Deutsch erhältlich), in dem der Autor skizziert, dass Frankreich 2022 von einem Vertreter der Muslim-Bruderschaft präsidiert wird. Der Roman war aber im Moment des Attentats erst im Begriff, das Licht der Öffentlichkeit zu erblicken...Für den Tagi gibt es offenbar zwei Arten von Freiheit: Journalistische ja, Literarische nein.

Auf Seite 9 (immer noch Tagesanzeiger 5/2015) bekommt auch noch Alice Schwarzer ihr Fett weg (unglaublich, zu was so ein Anschlag alles gut ist!). Man gräbt zu dieser Stunde nochmals ihre Steuerhinterziehung aus. Der Grund: Sie soll sich mit folgenden Worten hinter die Protestbewegung Pegida gestellt haben: “Pegida ist ein Unbehagen an der offensiven islamistischen Agitation, der Propagierung der Scharia. Es ist das berechtigte Unbehagen an dieser neuen Form des Faschismus.“ Ein legitimer Standpunkt, Pegida so zu sehen. Der andere, einfachere, ist, alle diese mittlerweile Zigtausenden als Neonazis und braunen Sumpf zu bezeichnen. Vielleicht sollte man sich an dieser Stelle mal die Frage nach Ursache und Wirkung stellen.

Zurück zu Seite 2 und Constantin Selbt: Er beendet seinen Artikel „die töd-lichsten Zeichnungen der Welt“ mit folgenden Worten:
„Die Mohammed-Karikaturen haben eine finstere Geschichte (!). Die Charlie Hebdo-Karikaturisten starben für die Meinungsfreiheit. Und für ihre schlechtesten Arbeiten.“

Für die schlechtesten Arbeiten zu sterben muss wunderbar sein. Vor allem auch für die Hinterbliebenen: Mitarbeitende, Verwandte, Freunde. Wie feinfühlig und einfühlsam.


Als Autor und Publizist empfinde ich diese Tagi-Beiträge als sehr dünn und vor allem unsolidarisch gegenüber den verstorbenen Kollegen. Aber auch so kann man die eigene Redaktion existentiell schützen. Nicht alle haben, wie Stéphane Charbonnier, keine Kinder und keine Frau. Daher irgendwie auch verständlich. Leider.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich finde die ganze Situation ungemütlich, vor allem, wenn man im eigenen Land nicht einmal mehr seine eigene Meinung sagen darf. Schliesslich hat man ja lange gerade dafür gekämpft und natürlich auch für die Werte unserer westlichen Gesellschaft. Und dann kommen plötzlich Leute aus fremden Kulturen, die sich bei uns niederlassen dürfen, die aus einem System flüchteten, welches sie verabscheuen. Und genau dieselben Leute bringen dann genau dieselben Anschauungen und die dieselbe Gewaltbereitschaft mit in unser Land, vor denen oder der sie geflüchtet sind. Dann wollen sie uns vorschreiben, wie wir uns im eigenen Land zu verhalten haben.
Es ist mir unverständlich, wie so etwas dann auch noch von unseren eigenen Landsleuten toleriert und gestützt werden kann.
Da ich mich auch in der Öffentlichkeit bewege, kann ich an dieser Stelle nicht einmal meinen Namen angeben - Danke!